Informationen über Kieferorthopädie

Ihre Gesundheit steht im Mittelpunkt

Die Kieferorthopädie gehört zu den zahnmedizinischen Fachgebieten. Sie befasst sich mit Fehlstellungen der Zähne und der Kiefer zu ihrer Entstehung, der Vorbeugung, Diagnostik und Therapie. Ziel der kieferorthopädischen Behandlung ist es, die Funktion von Zähnen und Kiefer wieder herzustellen. Dabei werden auch ästhetische Aspekte berücksichtigt. Denn in der Regel gehen Fehler in der Funktion mit Beeinträchtigungen des Aussehens einher.

Mundgesundheit, Allgemeingesundheit und Lebensqualität sind untrennbar miteinander verbunden [1]. Erkrankungen des Kauorgans, also der Zähne, Kiefer, Kiefergelenke und Kaumuskulatur, können die Allgemeingesundheit direkt beeinträchtigen, indem sie Schmerzen und Leid verursachen, die Nahrungsaufnahme bzw. Nahrungswahl beeinflussen, das Sprechen erschweren und somit das Wohlbefinden und die Lebensqualität reduzieren. Erkrankungen des Kauorgans können sich aber auch indirekt auf die Allgemeingesundheit auswirken – vielfältige Zusammenhänge mit chronischen Erkrankungen sind bekannt (z. B. Diabetes, Herzerkrankungen, Schlaganfall; [2]), getreu dem Motto des Tages der Zahngesundheit 2009: „Gesund beginnt im Mund – krank sein manchmal auch.“

 

Zahn- und Kieferfehlstellungen gehören neben Karies und Gingivitiden (Zahnfleischentzündungen) zu den häufigsten Mundgesundheitsbeeinträchtigungen des Menschen [3, 4]. Durch eine kieferorthopädische Behandlung können sie korrigiert und mögliche funktionelle Folgen beseitigt oder verhindert werden. Deshalb ist die Betrachtung von Zahn- und Kieferfehlstellungen im Hinblick auf eine synoptische (zahn-)medizinische Versorgung der Bevölkerung als auch für die Prävention essenziell.

Die Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen ist Aufgabe des Fachgebietes Kieferorthopädie und umfasst Erkennung, Verhütung und Behandlung von Fehlbildungen des Kauorganes, Zahnstellungs- und Bissanomalien, Kieferfehlbildungen und Deformierung der Kiefer und des Gesichtsschädels im gesamtmedizinischen Kontext. Fachzahnärzte für Kieferorthopädie sind durch eine vierjährige Weiterbildung für dieses Fachgebiet spezialisiert [5].

 

Im Idealfall passen die Zähne von Ober- und Unterkiefer in allen 3 Raumebenen perfekt zusammen. Abweichungen vom Ideal können einzeln als auch in Kombination von Zahn- und Kieferfehlstellungen vorkommen. Ihr Ausprägungsgrad ist äußerst variabel. Zu den häufigsten Abweichungen gehören Breitendiskrepanzen (z. B. Kreuzbisse) und Längendiskrepanzen (z. B. Distalbisse oder Mesialbisse) sowie Störungen im Durchbruch oder in der Einstellung einzelner bzw. mehrerer Zähne.

Ursachen von Zahn- und KieferFehlstellungen

Die Ursachen für Zahn- und Kieferfehlstellungen sind multifaktoriell. Dabei spielen genetische, epigenetische, funktionelle und umweltbedingte Faktoren eine Rolle. Auf individueller Ebene ist der ätiologische Hintergrund meist nicht eindeutig feststellbar [6, 7].

 

Während sich genetische und epigenetische Faktoren durch eine kieferorthopädische Behandlung nicht primär therapeutisch beeinflussen lassen, besteht bei funktionellen Faktoren (z. B. Fehlfunktionen der Zungen‑, Lippen‑, Wangen- und Kaumuskulatur) und umweltbedingten Faktoren (z. B. vorzeitiger Verlust von Milch- oder bleibenden Zähnen, Zahntraumata) die Chance auf eine kausale oder präventive Therapie. Die Prognose für den Behandlungserfolg bei Zahn- und Kieferfehlstellungen sowie die Stabilität der Ergebnisse ist bei überwiegend funktionellen bzw. umweltlichen Ursachen besser als bei einem genetischen Hintergrund. Daher setzt eine präventionsorientierte Kieferorthopädie eine frühzeitige Erkennung aller funktionellen und umweltbedingten Faktoren voraus, die das kraniofaziale Wachstum und die Gebissentwicklung negativ beeinflussen können [8].

Häufigkeit von Zahn- und KieferFehlstellungen

Zahn- und Kieferfehlstellungen sind häufig und gehören, wie bereits oben erwähnt, neben Karies und Gingivitiden zu den häufigsten Mundgesundheitsbeeinträchtigungen des Menschen [3]. Ihre Häufigkeit weist globale Schwankungen auf [4]. Aktuelle bevölkerungsrepräsentative Daten für Kinder und Jugendliche aus Deutschland fehlen, denn Zahn- und Kieferfehlstellungen wurden zuletzt im Jahr 1989 im Rahmen der ersten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS I) erfasst [9]. Gemäß kleinerer Querschnittstudien aus verschiedenen Bundesländern weisen bis zu 80 % der untersuchten Kinder Zahn- und Kieferfehlstellungen auf [10–13]; ein objektiver Behandlungsbedarf besteht in 41–52 % der Fälle [11, 12].

Folgen von Zahn- und KieferFehlstellungen

Zahn- und Kieferfehlstellungen können das Essen, Trinken, Kauen, Sprechen und die Atmung direkt beeinträchtigen [14–16], weil sie u. a. die Okklusion und Artikulation der Zähne, also den Kontakt und die Gleitbewegungen zwischen den Zähnen von Ober- und Unterkiefer, z. B. in Form von Zwangsführungen oder durch eine falsche Lage der Kiefer zueinander stören, den Mundschluss beeinträchtigen oder die Lautartikulationszonen verändern. Ferner können sie Überlastungsschäden des Kiefergelenks und/oder der Kaumuskulatur bedingen und somit auch indirekt das Essen, Trinken, Kauen, Sprechen und die Atmung beeinträchtigen [17]. Des Weiteren konnten Studien zeigen, dass die häufig vorkommende Proklination (Vorstehen) der oberen Schneidezähne die Gefahr von Frontzahntraumata erhöht [18] und dass eine Assoziation zwischen Zahn- und Kieferfehlstellungen mit Parodontalerkrankungen besteht [19]. Nicht zuletzt können Zahn- und Kieferfehlstellungen negative psychosoziale Folgen haben, die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität verringern [20, 21] oder, bei umfangreicher Ausprägung, zu Mobbing in der Schule führen [22].

 

Neben der Art bestimmt vor allem das Ausmaß einer Zahn- und Kieferfehlstellung deren Folgen, d. h., je größer das Ausmaß der Abweichung von einem normalen Gebiss ist, desto mehr funktionelle und psychosoziale Auswirkungen der Fehlstellung sind prinzipiell zu erwarten [21, 23, 24]. Allerdings gibt es Patienten, die z. B. aufgrund einer höheren psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz) besser als andere mit einer Fehlstellung umgehen können. Daher unterliegen die Folgen von Zahn- und Kieferfehlstellungen einer hohen interindividuellen Variabilität und müssen für jeden Patienten individuell beurteilt werden.

Kieferorthopädie als präventive und kurative Maßnahme

Die Literatur liefert eindeutige Hinweise, dass kieferorthopädische Behandlungen auf verschiedenen medizinischen Wirkebenen präventive Effekte haben, welche die Morphologie, die Funktion und die Entwicklungsprozesse des Gebisses und der Kiefer bzw. des Gesichts betreffen. Dazu gehört die Reduzierung des Risikos für Frontzahntraumata, Karies und Gingivitiden sowie die Beseitigung oraler Dysfunktionen und Habits (schädliche Angewohnheiten; [25, 27]).

Auf der kurativen Ebene zeigen kieferorthopädische Behandlungen neben einer Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität [20] beispielsweise therapeutische Effekte hinsichtlich einer Verbesserung der Nasenatmung [27, 28], wodurch unter anderem die Karies- und Gingivitisneigung sowie die Anfälligkeit für infektiöse Atemwegserkrankungen, Asthma und allergische Rhinitiden reduziert wird. Durch kieferorthopädische Behandlungen kann ferner der nasopharyngeale Luftraum, also der Atemweg, vergrößert werden, wodurch Schnarchen und Schlafapnoen reduziert oder sogar beseitig werden können. Auch die Kaueffektivität und Kaueffizienz werden durch die Harmonisierung der Zahnbögen und die Korrektur fehlender bzw. verlagerter Zähne gesteigert [27]. Als positiver Nebeneffekt der besser zerkleinerten Nahrung wird die Magenentleerung in den Darm beschleunigt [29], was sich wiederum positiv auf gastrointestinale Symptome auswirken kann. Des Weiteren trägt die Beseitigung von Zahn- und Kieferfehlstellungen zur erfolgreichen Therapie von Sprechstörungen bei [30].

 

In Kooperation mit den anderen zahnärztlichen Fachdisziplinen schaffen kieferorthopädische Behandlungen von Zahn- und Kieferfehlstellungen grundlegende oder verbesserte Voraussetzungen für die Einordnung retinierter Zähne, für Zahntransplantationen, prothetische Versorgungen und parodontologische Behandlungen und sorgen somit für einen verlängerten Zahnerhalt, eine verlängerte Lebensdauer prothetischer und konservierender Versorgungen und den langfristigen Erhalt einer optimalen Kaufunktion. Ferner ist die Kieferorthopädie unverzichtbarer Bestandteil interdisziplinärer Therapien in Kooperation mit diversen medizinischen Fachgebieten u. a. bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen- und Segelspalten, kraniofazialen Syndromen, obstruktiven Schlafapnoen, juvenilen rheumatoiden Arthritiden sowie seltenen Erkrankungen mit kraniofazialen Manifestationen [27].

Quellen

Alle Quellen der beiliegenden Information sind der National Library of Medicine entnommen und finden Sie >>HIER